Die Wahrheit über das Kobudo

Die Wahrheit über das Kobudo


Kobudo Zenei Oshiro Kenyu Chinen
Bild: Kobudo-Grossmeister Zenei Oshiro (links) Kenyu Chinen (rechts)

„Es ist kaum noch zu überschauen, wie oft versucht wurde, die Geschichte des OKINAWA KOBUDO aufzuhellen. Ein Blick in verschiedene Budobücher zeigt, dass es mehrere verschiedene Erklärungen für das Aufkommen des Gebrauches mit HANBO, BO, SAI, TONFA, KAMA, NUNCHAKU, TEKKO, SURUJIN und TIMPE gibt. Es herrscht schon darüber Unklarheit bei den meisten Geschichtsforschern, welche Waffen überhaupt zum KOBUDO zu zählen sind; vollends durcheinander geht es bei den Versuchen, geschichtliche Daten anzugeben – ganz abgesehen davon, mit welcher Leichtfertigkeit stellenweise gedankliche Verknüpfungen zwischen sozialen und historischen Gegebenheiten hergestellt und daraus Erkenntnisse dargeboten werden, obwohl die zugrunde liegenden Fakten keineswegs gesichertes Wissen sind.

Dass eine solche Situation gegeben ist, kommt aber nicht von ungefähr. Es gibt einfach zu wenig schriftliche und bildliche Überlieferungen. Selbst die heutigen spezialisierten Geschichtsforscher in Japan – die eigentliche Erforschung des KOBUDO wird im Grunde erst seit ca. 60 Jahren betrieben – sind sich nicht immer einig.

Es soll daher hier nicht das KOBUDO in seiner Entwicklung bis ins allerletzte Detail geschildert werden, da dies aufgrund der heutigen Erkenntnisse dazu führen würde, zu viele Vermutungen mit aufzunehmen. Alles, was hier dargestellt wird, lässt sich zumindest mit Quellen – historische Schriften bzw. anerkannte Autoren – belegen.

Eine Untersuchung über das Aufkommen des KOBUDO-Systems muss sich – um wissenschaftlich exakt vorzugehen – gleichzeitig mit dem Studium sozialer, politischer, kultureller und militärischer Geschichte des alten Japan verbinden. Erst in diesem Zusammenhang erkennt man wichtige und wesentliche Fakten, die dann als gesichert gelten können. Es wurde versucht, durch Übersetzung historischer japanische Bücher (Liedersammlungen, Reisebeschreibungen usw.) etwas Klarheit in das Durcheinander zu bekommen. Dass man sich dabei allerdings nicht auf jeden Schriftsteller verlassen kann, soll folgendes Beispiel belegen: Im Jahre 1816 verfasste BASIL HALL einen Reisebericht über eine Fahrt, die ihn über China (Kanton), Korea, RYU-KYU-Inseln bis nach St. Helena (zu Napoleon) führte.

Über seine Erfahrungen auf Okinawa schreibt er unter anderem, dass es dort keinerlei Waffen – auch für die Landbevölkerung – gab. Daraus zu schliessen, das es (zumindest in dieser Zeit) kein Waffensystem gab, wäre allerdings abwegig. Der gute Basil Hall hat nämlich nach europäischen Waffen Ausschau gehalten. Dass es im fernen Osten anders sein kann, kam ihm nicht in den Sinn.

Im Gegensatz zu Europa, welches das Feudalsystem schon im 15. Jahrhundert überwunden hatte, wurde Japan erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein moderner Staat. Bis zu der 1853-54 erzwungenen Eröffnung der Handelsbeziehungen zum Westen und der Thronfolge des jungen, modernisierenden Kaisers MEIJI im Jahre 1867 war Japan eine Feudalgesellschaft unter der Verwaltung der SAMURAI.

Die Klassengesellschaft Japans

Dieses Feudalsystem Japans bestand aus einer auf Klassen basierenden Gesellschaft, an deren Spitze der von Gott berufene Kaiser stand. Im 8. Jahrhundert begann die Macht allerdings in die Hände der SHOGUN (eine Reihe von Diktatoren aus Verwaltung und Militär) überzugehen. Der Kaiser zog sich aus dem Leben der Politik zurück, um sich ganz der Förderung der Kultur zu widmen.

Erst im 12. Jahrhundert war dieser Prozess abgeschlossen und der bekannte SHOGUN YORITOMMO nahm eine Einigung vor, indem er ein strenges hierarchisches Gesellschaftssystem vorschrieb. Der Kaiser wurde von den folgenden Gruppen unterstützt (die Reihenfolge entspricht auch ihrer Bedeutung): höhere Kaste – SHOGUN (Spitzen der Verwaltung und des Militärs) – DAIMYO (höhere Edelleute) – BUSHI (militärische Ritter, auch SAMURAI genannt), niedere Kaste – BAUERN – HANDWERKER – HANDELSLEUTE. Die Aufrechterhaltung eines heirarchischen Systems bedingt Unterstützung durch eine macht, daher das Auftreten der BUSHI, oder, wie sie im Westen bekannt sind, der SAMURAI.

SAMURAI hiess ursprünglich ‚Diener‘, denn sie waren die niedrigeren Member der BUSHI-Klasse. Diese SAMURAI, welche verschiedenen DAIMYO unterstanden, wurden auf alle Regionen verteilt, wo sie vor allem als Polizisten und Steuerbeamte Funktionen hatten. Sie genossen massgebende Privilegien, wie z.B. Steuerfreiheit. Sie hatten das Recht, einen respektlosen, nichtadeligen Bürger auf der Stelle zu töten. Um einen Samurai davon abzuhalten, seine Rechte zu missbrauchen, wurde ein Kodex für Samurai-Ethik eingeführt.

Man nannte ihn BUSHIDO, d.h. ‚Wege des Militärritters‘, also ein Kodex des sich für einen kämpfenden Ritter geziemenden Verhaltens. Viele Aspekte gleichen den damaligen westlichen Regeln der Ritterlichkeit.

Die Waffen der Samurai

Die Hauptpunkte (Mut, Ehre, Wahrhaftigkeit, Höflichkeit, Selbstkontrolle und Selbstaufopferung) waren zweifellos im Osten und im Westen zeitweise mehr Theorie als Praxis.

Die Waffen der Samurai waren in erster Linie das Schwert (Symbol des Samurai) und Speer (Yari), Bogen (Kyodo), Reiten und Jiu-Jitsu. Daraus entwichelten sich mit der Zeit ähnliche Waffen wie z.B. NAGINATA und HOKO. Diese Waffen und ihre Techniken gehören jedoch nicht zum KOBUDO, wie es hier vestanden wird. Die Waffen des KOBUDO wurden nicht von der höheren, sondern von der niederen Kaste entwickelt und verwendet. Dies geschah im wesentlichen auf der Insel OKINAWA, daher der allgemein bekannte Audruck OKINAWA KOBUDO.

Die östlich der asiatischen Landmassen liegenden Inselketten beginnen bei Taiwan und erstrecken sich in nordöstlicher Richtung bis zu den Kurilen im Nordpazifik. Die zentrale und wichtigste Gruppe (dies hatte bedeutenden Einfluss auf die Verbreitung des KOBUDO) bilden die japanischen Inseln, die als RYU-KYU bekannt sind und deren wichtigste Insel OKINAWA ist.

Während mehrerer Jahrhunderte waren die RYU-KYU sozusagen das Sprungbrett für die gegenseitigen kulturellen Beeinflussungen zwischen Südostasien, China und Japan. Sie bildeten im 12. Jahrhundert einen Zufluchtsort für einen Teil des besiegten TAIRA-Clans aus Japan, für verfolgte Mönche aus China und für Flüchtlinge aus dem gesamten asiatischen Raum.

Mehrere Male geriet OKINAWA unter die politische Kontrolle Chinas und Japans. Dies hatte eine strenge Gesetzgebung auf der Insel zur Folge. So wurde einige Male der Waffenbesitz streng verboten.

Die täglichen Gebrauchsgegenstände als Waffen

Da die Bewohner der Insel sich aber gegen die Besatzer auflehnten und sie zudem des öfteren Ziel der Angriffe von Seeräubern, Handelspiraten usw. waren, besannen sie sich auf ihre täglichen Gebrauchsgegenstände. Aus denen entwickelten sie Waffen wie z.B. KAMA und TONFA.

Nicht nur die Entwicklung, sondern auch der technische Gebrauch dieser Waffen wurde nachhaltig beeinflusst durch die immigrierenden Zen-Buddhismus-Mönche aus China, die ein schon fast ausgereiftes Waffensystem mitbrachten. Darunter befanden sich Vorläufer des SAI (SAN-KUCH’U) und des NUNCHAKU (SHU-JANG-CHIN-KUN). Hier lagen die Anfangsgründe zur Entwicklung eines systematisch aufgebauten Waffensystems.

Kobudowaffen beim Aufstand

Besonders forciert wurde diese (heimlich und verbotenerweise betriebene) Kampfkunst in der Zeit von 1599-1867, in der ca. 1240 Bauernaufstände zu verzeichnen waren. Dies Aufstände wurden unter Zuhilfenahme der KOBUDO-Waffen durchgeführt. In diese Zeit geriet das Waffenkampfsystem mit den Bauernwaffen zur Blütezeit und wurde von vielen Meistern und in mehreren Stilrichtungen betrieben.

Es ist auch nicht richtig, das KOBUDO immer streng von den waffenlosen Kampfsportarten zu unterscheiden. In Wirklichkeit handelt es sich um ein System. Waffenhandhabung wurde immer in Verbindung mit waffenloser Selbstverteidigung ebenfalls wie bei den SAMURAI das JIU-JITSU und das OKINAWA-TE betrieben.

Auch heute ist das KOBUDO im selben Verhältnis zum KARATE zu sehen. (…)“

Weitere Infos:

Was ist Kobudo?
Die Waffen des Kobudo
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World Oshukai Federation (W.O.F.) 
Kobudo-Prüfungsprogramm
Rechtslage in der Schweiz

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